Die konservierten Zeiten

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aus Die Lust auf Aufschwung“

 

dominiert!

Dies‘ Jahr besonders couragiert,

balgen sich Kater / Katze!

Es is‘, wie es schon lang‘ nicht war!

Die Nächte eisfrei, wunderbar!

Bald wird die Luftmatratze,

 

frisch aufgepumpt, bereitgestellt

im 1a Sonnenwirkungsfeld!

Da lachen doch die Hühner…!

Es is‘, wie es schon lang nicht war!

Der Winter…, ohne Kommentar!

Nun zeigt der März sich kühner!

 

Na klar, da hat er völlig Recht!

Fink, Kleiber, Dohle, Lerche, Specht,

trillern schon früh ihr Ständche!

Es is‘, wie es schon lang nicht war,

das weiß die ganze Vogelschar

bei uns im Hesseländche!

 

Epilog:

 

  1. März! Zwei Wochen nur,

dann lenkt April die Konjunktur!

Drum aufgepasst mit Aug und Ohr!

Das Sonnenlicht weckt Rohr und Moor!

Die Gärtner müssen eilen „aufzuholen“,

was der Winter an Zeit verplemperte

  

Seiten 69/70

 

aus „Populär

 

Allweil hält der Mai Visite,

das freut Klatschmohn / Margerite,

Giersch, in Weiß ist populär!

Ihre frühlingszarten Düfte

schweben durch die Maienlüfte,

maßlos ohne Wiederkehr.

 

Löwenzahn und Heckenrose,

Blütengräser, leicht und lose,

schwankend in des Windes Hauch,

offenbaren Pfingstkulisse,

die reizt Biene und Hornisse,

ja…, so ist es Maienbrauch.

 

Alles macht er neu. Alle Bäume im Wald, auf den Wiesen, in den Gärten erhalten ein neues Blätterkleid im frischen Grün. Die Meise, der Kiebitz und wie sie alle heißen, bauen ihre Nester und sind vor neugierigen Augen geschützt. Einmalig…

 

Aber auch die Maikäfer krabbeln aus dem Boden, sie spüren: jetzt ist unsere Zeit aufzuwachen! Im Nu sind sie im grünen Blattwerk unterwegs und halten sich nicht zurück!

Welchen Schaden der Baum durch ihre Gier erleidet, kümmert sie nicht.

Ihnen muss Einhalt geboten werden! Wissenschaftler haben das Malheur beobachtet und sind bemüht, Gegenzusteuern…

Marianne ruft: „Hermann, der Kaffee steht auf dem Tisch, kommst du?“ 

 

Seite 76

 

aus „Der Fehler steckt im Detail“

 

Das stimmt! Meister und Geselle suchen herum und können sich nicht erklären, warum der moderne Sonnenschirm nicht gerade stehenbleibt!

„Der Fehler steckt im Detail“, wiederholt der Meister, während er sich auf der Gartenbank niederlässt. Seine Stirn ist schweißgebadet! Sein kariertes Hemd auf dem Rücken dunkler als an den Ärmeln. Wahrscheinlich durch die Anstrengung nass!

Die Aufbietung und der Eifer haben Geselle und Lehrling ebenso beeinträchtigt. Die beiden stehen und der Meister sitzt! Ihre Augen ruhen auf dem schiefstehenden Schirm.

Frau Seitz, die Auftraggeberin, sitzt unter dem Sonnenschirm auf Terrasse zwei. Sie liest Zeitung. Dass die Männer ratlos sind, hat sie bemerkt! Sie reagiert nicht, weil es ihr peinlich ist. Na ja…

Blücher, der Hund von Frau Seitz, ruht gemächlich im Gras.

Es ist mittäglich still.

„Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten“, ruft Frau Seitz, „Wasser?“

„Gerne“, antwortet der Meister und Frau Seitz geht ins Haus.

 

Der Lehrling geht zu Blücher. „Du bist müde?“, fragt er und streichelt ihn. Blücher bewegt sich und Lehrling Jochen sieht neben seinem Rücken etwas blinken. Er langt zu und greift eine Schraube. Er betrachtet sie, geht zum Schirmständer, steckt sie in die Halterung und…

 

Der Meister hat zugeguckt, steht von der Bank auf, kommt zu ihm. „Junge“, sagt er, „das ist die Lösung, genau die!“

 

Jochen meint: „Blücher ist ein Schlauberger, Chef!“

 

 

Seiten 83/84

 

aus „Heute nach Boeuf mit Rotem“

 

Ein knappes Stündchen nach Unterhaltung und Gelächter gab es „Cognac-Feigen“ in köstlicher Sahnesoße. Ein himmlischer Genuss! Sein Duft verzaubert…

„Cognac-Feigen? Das musst du mir näher erläutern.“

Mit diesen Worten forderte Dorette aus der Weltstadt Hamburg mich heraus.

„Du kennst keine Cognac-Feigen?“

„I wo, so was Edles, wie du es schilderst, habe ich noch nie auf dem Teller gehabt. Deine eigene Kreation? Hast du sie im Programm?“

„Aber klar, in Marokko habe ich sie kennengelernt und dann wurde ich aktiv.“

„Du, das interessiert mich. Wann servierst du sie wieder?“

„Heute nach „Bœuf mit Rotem“, erwiderte ich, „gestern habe ich sie ohne großen Aufwand vorbereitet.“

„Erzähl mir das Rezept, bitte“, flüsterte Dorette gierig.

Ich begann:

„Die Feigen werden unter fließendem Wasser gewaschen, wie ein Stern, ein-, aber nicht durchgeschnitten. Sie werden dicht an dicht in eine Auflaufform gesetzt. Zucker wird in die Schnitten gestreut und mit Cognac begossen. Dann gibt man Ingwerscheiben dazu und lässt sie bei 180 Grad ca. 20 Minuten garen. Danach gießt man den Cognac bzw. die Flüssigkeit ab. Sie wird mit ½ l Sahne angereichert, mit Vanille und dem Abgeriebenen der Orangenschale gewürzt und gut verrührt. Sind die Feigen abgekühlt, übergießt man sie mit der Mixtur. Die erkaltete Auflaufform stellt man über Nacht in den Kühlschrank.“

„Das ist alles? Das ist das Rezept für mich. Das schaff ich links, da bin ich überzeugt“, rief Dorette.

„Toll schmeckt es“, meldete sich Bernie. „Die sind ja der Hammer. Bekommt jeder nur eine Feige? Das ist nach einem Tag am Meer bzw. am gischtenden Atlantik viel zu wenig, weder zum Kennenlernen noch zum Probieren. Übrigens eine Frage, sind die Feigen aus der Türkei oder aus Ägypten? Wenn sie aus Ägypten sind, hätten sich darin wundersame Träume versteckt! Vielleicht träume ich von Suleika! Sie schürt Wünsche! Das wäre der zweite Hammer!“

 

 

Seiten 159/160

 

aus „Wie klein ist die Welt“

 

Also wechseln sie ihren Film. Währenddessen kommt ein Herr eilend auf sie zu. Schon von Weitem fragt er nach der Kamera und sie halten sie ihm entgegen.

„Gott sei Dank“, ruft er erleichtert.

Sieht er ihnen an, dass sie Deutsche sind? Sie antworten ihm auf Deutsch, dass sie sich ob des Fundes gewundert hätten und nun mit ihm freuten, dass die komplette Ausrüstung gefunden sei.

Er nimmt auf der Bank Platz und fragt, woher sie kommen.

Sie sagen aus der Nähe von Frankfurt. Seit 3 Tagen seien sie auf dem Weg ins Feriendomizil am Atlantik bei Bordeaux. Nun wollen sie wissen, ob er Deutscher ist und woher er kommt.

„Nein“, antwortet er und erzählt, dass sein Vater im letzten Krieg in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten sei und mehrere Jahre bei einem Bauern bei Nidda in Oberhessen gearbeitet habe. Als er eingeschult wurde, habe ihn sein Vater auf eine deutsche Schule geschickt. Inzwischen habe er zigmal Deutschland besucht. Er fühle sich fast wie ein Deutscher.

Als sie Nidda hören, wollen sie von ihm wissen, wo er aufgewachsen ist.

„In der Bretagne“, sagt er.

Das Leben ist interessant! Was sie jetzt in Vaison-la-Romaine erleben, ähnelt einem Kinofilm.

Sie erzählen und erzählen, er staunt wie sie und ist fassungslos.

Zurzeit sei er zu Besuch bei seinem Sohn, der in Gordes ein Hotel führe.

Als er erfährt, dass sie für diese Nacht eine Bleibe suchen, lädt er sie zu seinem Sohn nach Gordes ein. Die beiden

nehmen die Einladung an. Doch zunächst möchten sie sich

Vaison la Romain betrachten. Er bietet sich ihnen als Begleiter an und sie stellen sich gegenseitig vor.

Dass sie mit ihm fahren, ist eine Entscheidung aus dem Bauch heraus! So spontan kann sich ein Tag entwickeln!

Die Gegend um Gordes ist abwechslungsreich. Hügelig, bewaldet, lieblich sollte man sagen.

Sie fühlen sich wohl in dieser Umgebung. Kleine Dörfer schmiegen sich an Berghänge und dann lenkt Jean seinen alten Renault von der Straße ab und steuert ein Hotel, ca 200 m entfernt an.

Erhard dirigiert sein Auto nur noch hinter ihm her.

Sie sind bei einem Fachwerkhaus, das reichlich an- und umgebaut wurde, angekommen. Es ist dreistöckig mit einer großen ebenerdigen Veranda.

Sie steigen aus und schütteln ihre steifen Beine aus. Erhard parkt den Sharan auf einem großen Parkplatz, auf dem bereits einige Fahrzeuge stehen.

Sie machen Jean Komplimente über das Anwesen.

„Und nun wollen wir hoffen, dass es für euch beide unter diesem Dach ein freies Zimmer gibt“, sagt Jean schmunzelnd.

 

Seiten 185/187

 

aus Tausch-Geschäfte nach dem 2. Weltkrieg

 

Es darf nicht vergessen gehen, wie einfallsreich der Hunger die Menschen in der Stadt prägte.

Vom reichen Großbauern Kurt R. war der ältere Bruder Joachim nach der Heirat Stadtmensch geworden. Als Schüler hatte er schon in der Volksschule bewiesen, dass er ein „schlaues“ Kind ist. In der zweiten Klasse war er Klassenbester, ein größer werdender „Mathematiker.“ Sein Wissensdurst war erkennbar und vor allen Dingen, sein schnelles Begreifen.

Sein Lehrer war von ihm angetan. Er sagte es seinem Vater und der Vater war stolz und schickte ihn zur Oberschule in die Stadt. Tapfer lernte er weiter bis zum „Ingenieur.“ Er wurde das Leuchtfeuer der Fa. Leitz. Die Firmenleitung schickte ihn nach Iran. Im Iran etablierte er seinen Brotgeber peu à peu.

Inzwischen hatten sich die Zeiten enorm verändert. Deutschland hatte seinen Krieg verloren. Die Essensvorräte waren aufgebraucht. Hunger machte sich breit.

Joachim war zwischenzeitlich zurückgekehrt. Nun war er klug genug, aus der Not eine Tugend zu machen. Er rollte einen von mehreren Teppichen, die er mitgebracht hatte, kurzerhand auf. Hunger, sagte er zu seiner, aus Steindorf stammenden Frau Katharina, verlangt Opfer.

Mit einem echten „Handwebteppich“ aus Iran, fuhr er eines schönen Morgens zu seinem Cousin Fritz ins Nachbardorf seiner Heimatgemeinde. Mit großen Augen wurde er in Empfang genommen.

Der Teppich wechselte innerhalb von Minuten seinen Besitzer. Nachmittags, nach kräftigem Mittagessen und Kaffee mit Radone Kuchen, trat Joachim die Heimfahrt an.

 

Für seine Familie hatte er:

1 Schinken

20 Eier

ein Pfund frische Butter aus dem Butterfass

zwei Zervelatwürste und einen Presskopf erstanden.

 

Katharina weinte vor Freude. Ihr dickes Polster „Stolz“ war geschwächt. In der nächsten Zeit wurde sie nüchterner. Sie, das Bauernmädchen, war in Iran gewesen! Ihr Dünkel hatte sich damit gestärkt. Sie war „hinausgekommen!“

Wer von den Landfrauen konnte sich damit schmücken? Sie waren nur in ihrem Kuhstall und auf dem Feld beschäftigt. Ihr Horizont blieb unverändert, während sie unter den Menschen im Iran gelebt hatte. Ehrlich stolz war sie auf ihren klugen Ehemann Joachim!

Joachim hatte viel zu erzählen gehabt und die gesamte Familie hörte konzentriert zu. Das waren Geschichten, die sie noch nie gehört hatten. Das sagten sie ihm anerkennend.

Als er gegangen war, sagte sein Cousin Joachim zu seiner Frau Henriette: „Was wir hawwe, hawwe wir. Er soll nur widder komme. Den „räumen“ wir nach und nach aus, den Klugscheißer. Zu sei´m Bruder traut er sich net, ach der eingebildete Pinkel.

Awwer des soll er begreife: Sei „Bauernverwandte“ sinn net so dumm wie er denkt!“

 

 

Seiten 215/216

 

aus Neujahrsnacht

 

Wir schreiben Mitternacht 1. Januar 1946. Oma Herta Müller sitzt allein in der Küche. Sie hat sich eben eine Tasse Kaffee aufgegossen. Sie kann noch nicht ins Bett gehen. Gleich, so ahnt sie, geht die Haustüre auf und die Enkel kommen…

Den langen Abend dachte sie über „Früher“ nach! Wie es war, als sie Kind war und mit Betteln aufbleiben durfte, bis die Glocken riefen, das neue Jahr ist da!

Ihr ist bis ins Detail bewusst, wie es war, als ihr Mann Hermann lebte, die Kinder, Magdalene und Horst, jung waren und gefeiert wurde. Lilli und Heino Krämer, Wilma und Werner Henritzi waren dabei und erzählten, was sie die Woche über erlebten. Gelacht wurde unentwegt am letzten Abend im alten Jahr.

Und jetzt? Allein! Im letzten Jahr sind einige in ihrem Alter gegangen. Und eines Tages das ist ihr bewusst, ist sie an der Reihe! So ist der Lauf der Welt.

Sie erinnert sich, Wilma und Werner verlobten sich, während die Glocken das neue Jahr 1920 einläuteten. Ach war das eine Freude.

Später kam der überflüssige Krieg. Werner wurde eingezogen in das wilde Kriegsgeschehen. Dann kam ein Brief von der Regierung und…

Werner war ein Opfer geworden wie viele. An der russischen Front hatte er sein Leben ausgehaucht.

„Oh Gott, ich klag Dich an. Warum hast Du das nicht verhindert? Warum nicht?“…

Viele Briefe flatterten ins Dorf und brachten Tränen und Aussichtslosigkeit. Die Söhne waren gefallen für nichts und wieder nichts! Die Trostlosigkeit hielt Einzug in vielen Häusern.

Junge Bräute wurden einsam! Viele Eltern krankten an Demenz. Hilfslosigkeit allenthalben.

 

Und der Herrgott schweigt!

 

  Seite 224

 

aus Friedgard will weiter

 

„Kinder, es hat mir geschmeckt, ich muss weiter. Ruth, ich danke dir herzlich und euch allen. Ich werde Klara sagen, dass ich hier war und wir werden darüber reden, wann wir uns mal besuchen, evtl. 2- 3 Tage gemeinsam irgendwo ausruhen!“

 

Ruth und Christoff sitzen am nächsten Morgen am Frühstückstisch. Das Radio ist eingeschaltet und…

„Abschließend noch eine traurige Nachricht:

Gestern Abend ist der bekannte und allseits beliebte Wissenschaftler Prof. Dr. Friedgard v. Harboni 48-jährig an einem Herzinfarkt verstorben. Er hinterlässt Frau und 2 Kinder.

Nachmittags hatte er an einem geplanten Gespräch mit den Wissenschaftlern Prof. Dr. Heiko Frenzl und Prof. Dr. Friedgard Wilhelmi teilgenommen. Prof. von Harboni hinterlässt eine große Lücke.“

Christoff schaltet das Radio aus und schaut vor sich auf den Tisch. Hat er richtig gehört? Friedgard ist tot. Aus und vorbei?

 

Ruth schaut ins Leere. Sie ist geschockt. Beide, Friedgard und Klara, hatten Pläne! Und nun?

Das Schicksal ist grausam! Umwege sind ihm fremd! Direkt und zielbewusst zeigt sein Wegweiser!

Wie verkraftet man diese abrupten Abgänge?

Wie viel Energie ist nötig, um den Tag zu durchleben?

Die Sprachlosigkeit zermürbt!

 

Jeremias Gotthelf sagt:

„Der Mensch kennt alle Dinge der Erde,

aber den Menschen kennt er nicht.“