Seite 43-45 aus dem „Blauen Kuckuck“
„Ich werde morgen eingreifen“, sagt Lucie und verschwindet im Haus.
Gegen halb vier fährt Amy das Auto aus der Garage. Helen und Lucie mit Geschenken bewaffnet, schließen das Garagentor, steigen ins Auto und los geht die Fahrt.
„Warum hast du gelbe Rosen besorgt? Oma liebt doch Margeriten.“
„Früher liebte sie auch gelbe Rosen. Als sie noch daheim war, hatte sie sich vom Gärtner ein Beet am Zaun damit bepflanzen lassen. Erinnert ihr euch nicht mehr daran? Irgendwann waren sie von Mehltau befallen und seitdem waren die gelben Rosen out.“
Sie fahren vor dem Seniorenheim vor und wundern sich über die Menge der parkenden Autos.
„Findet heute was Besonderes statt, Mutti?“
„Nicht dass ich wüsste, aber ich weiß auch nicht alles. Gehen wir mal rein, dann werden wir mehr erfahren.“
Amy drückt die Türe auf, der Flur ist belebt, Jung und Alt unterhält sich. Sie gehen die Treppe hoch, da Oma im ersten Stock ihre kleine Wohnung hat. Sie klopfen an, aber alles bleibt still. Helen drückt auf die Klinke, die Türe geht auf und niemand ist im Raum.
„Nanu, wo hat sie sich versteckt?“
Helen klingt die Schlafzimmertüre auf und staunt, dass auch das Zimmer leer ist. Amy sucht in der Küche nach einer Blumenvase, Lucie ist zum Badezimmer gegangen, aber Oma ist nicht in ihrer Wohnung.
„Wo kann sie denn nur hingegangen sein?“
„Vielleicht ist sie gerufen worden“, meint Lucie, „das ist doch möglich.“
Helen nimmt ihr Handy und ruft die Zentrale des Hauses an. Es dauert wenige Sekunden und Frau Hohenbergler meldet sich. „Ja“, sagt sie, „Ihre Mutter hat Besuch. Sie sitzt im Moment mit einem Herrn im Entree zusammen. Ich schlage Ihnen vor, kommen Sie hierher Frau Marbach, bis gleich.“
„Und, wo ist sie, unsere liebe Oma?“
„Ihr werdet es nicht glauben, sie hat Herrenbesuch.“
„Herrenbesuch? Von wem? Ist der Herr Bürgermeister zu Besuch und gratuliert?“
„Kommt Kinder“, sagt Helen, „wir schauen uns das an. Unsere Oma ist noch attraktiv.“
Sie zwirbeln ihre Kleidung zurecht, werfen einen Blick in den mannshohen Spiegel im Schlafzimmer und eilen zum Entree. Helen trifft unterwegs Bekannte, redet ein paar Worte, sagt sie muss weiter, entschuldigt sich. Als sie um die Ecke des Flures steuern, sieht sie ihre Mutter im gegenüberliegenden Raum mit einem schmucken graugescheitelten Herrn in gepflegtem Outfit.
Helen voran, Amy und Lucie hinterher, treten durch die offene Türe und…
„Kinder, da seid ihr ja, …“ Oma ist aufgestanden, mit ausgebreiteten Armen drückt sie die drei Neuankömmlinge an sich. Es ist eine herzliche Begrüßung. Sie stehen mit lächelnden Gesichtern, die Köpfe zueinander gebeugt, beieinander.
„Schaut mal, wer mich heute aufgesucht hat, schaut, ihr kennt ihn doch noch?“
Sie befreien sich, blicken den ihnen fremden Herrn an und als er „hallo“, sagt, ist das Zögern in Helens Miene verschwunden.
„Hansi“, ruft Helen, „dass ichs nicht glaube, du lebst noch? Wo warst du all die Jahre? Mein Gott, Hansi…“
Amy und Lucie sind etwas reservierter…
„Kinder“, sagt er und kommt auf sie zu, „seid ihr es wirklich? Ihr könnt euch sicher nicht mehr erinnern, es sind fast 20 Jahre her, dass ich nach Afrika reiste…“
„Afrika“, flüstert Lucie, „ist denn Afrika so begehrt gewesen? Heute flüchten die Afrikaner nach Germany.“
„Setzt euch doch“, verlangt Oma, „wir können uns Zeit lassen und klären, was, wann, wie geschah.“
Sessel werden hin und her gerückt, Hansi soll der Mittelpunkt sein „aber auch du, Oma, bitte setz dich zu mir, bitte…“, murmelt Amy.
Und nun sitzen sie zusammen, der übrige Raum wird beherrscht von ihnen allen. Alle Augen sind auf sie gerichtet, denn es ist wirklich eine amüsante Gesellschaft. Der genannte Hansi trägt ein senfgelbes Jackett mit apfelgrüner Hose, ein senfgelbschwarz-gestreiftes Hemd, die Haare sind voll und exakt gescheitelt. Er hat ein zutrauliches, nettes entspanntes Gesicht eines zufriedenen Menschen. Lachen ist ihm, das sieht man auf den ersten Blick, lebensbedingt notwendig. Er spricht impulsiv, temperamentvoll, man möchte leidenschaftlich sagen. Seine Munterkeit ist ansteckend.
„Nun erzähl mal“, sagt Helen zu ihm, „ich bin schier neugierig, wo du dich herumgetrieben hast. Wieso haben wir nichts mehr von dir gehört? Merkwürdig ist, dass ich dich glatt vergessen habe. Ehrlich, glatt vergessen. Naja die Kinder, Kurt, das Leben insgesamt war abwechslungsreich, nicht wahr Mutter?“
„Eure Mutter oder Oma hat mich sicher nicht vergessen all die Jahre, stimmts Juliane?“
Seite 98 / 99 aus „Weil er so vergnügt bellt…“
Die Ferienreise nach Portugal ist für die Kinder Mimi und Manuel ein voller Erfolg. Sie kamen ohne an und nehmen nach 4 Wochen Ferienaufenthalt einen echten Wuschelkopf mit nach Hause.
Wenn man ihn betrachtet, weiß man, etliche Rassen sind beteiligt. Sein Hals und die beiden Vorderläufe sind semmelblond! Über den Rücken ist siena/weiß dominierend! Das linke Hinterbein ist mehr braun und das Rechte weiß.
Sein Kopf ist gekraust wie bei einem Pudel. Er hat was vom Zwerg- und Cockerspaniel, aber auch der Wolfsspitz ist nicht zu leugnen! Sein Gesichtsausdruck ist freundlich, nett, vertrauenerweckend!
Man möchte ihn auf der Stelle drücken, hätscheln, umklammern, umschlingen.
Graulen würde ihm sicher gefallen… Die Natur hat sich einen reizenden Gefallen getan! Der Pelzmantel von Gonzales ist „gelungen!“
Die Kinder freuen sich mächtig. Mimi 12 und Manuel 10 Jahre alt, führen ihn abwechselnd an der Leine, die sie gemeinsam mit ihren Eltern kauften, nachdem ihnen der fremde Hund nicht mehr von der Seite wich.
Vater Hannes Neuberg ist der Meinung, der Vierbeiner muss angelernt werden. Der Hund weiß nicht, wo rechts und links ist. „Wenn wir daheim sind, kaufe ich ein Hundebuch, das die richtige Erziehung preisgibt. Ihr könnt schon lesen und ich erwarte von euch, dass ihr ihn unterrichtet!“
Aber vorerst sind sie noch 2 Wochen in Portugal und das finden beide mit ihrem neuen Freund 100%ig gut. Die Eltern haben ein Ferienhaus direkt an der Küste gemietet. Das Meer ist etwa 150 m entfernt. Die Wellen laufen am Ufer aus und Gonzales ist ein Extremschwimmer. Man sieht die drei von morgens bis abends übermütig, pudelnärrisch ausgelassen in den Wellen rennen und springen.
Mutter Evelin Neuberg sitzt zeitweise abseits im Gelände und liest. Ab und an nähert sie sich Wellen und Wogen und sammelt Muscheln, schaut den plärrenden Kindern zu und weiß: Deren größter Wunsch ist diesmal in Erfüllung gegangen.
Eben nähert sich ein Spitz, nein, ein Spitzenweib! Vor den Wellen, die sie genau im Auge hat, legt sie sich ab und guckt konzentriert zu Gonzales. Scheinbar ist sie wasserscheu. Was geht in ihr vor? Erregt sie sich, dass sich Gonzales im schaumigen Nass vergnügt? Ist sie eifersüchtig auf ihn?
Sie liegt stumm und konzentriert und absolut nichts anderes interessiert sie. Es ist, als wisse sie genau: „Ich bins, die ihn fesselt! Ich bins, an der er nicht vorbei kommen wird.“
Evelin Neuberg ist fasziniert von dem schlauen „Spitzenweib!“
Ihr Verhalten überrumpelt sie. Sie denkt: Typisch Weib!
Was niemand weiß, nur die „Spitzin“ in allen ihren Fasern spürt: Sind ihre „Tage!“ Sie ist „läufig“ wie der Medizin-Experte formuliert. Und diese Tage sind ihre verdammt natürlichste Waffe! Kein Hundemann dieser Welt würde sie angreifen! Ganz im Gegenteil…
Die Kinder haben genug von der Tollerei, sie haben Hunger, sie haben Durst und Manuel ruft: „Ich muss mal…“
Gonzales sieht, Manuel haut ab und springt ihm nach. Er erreicht festen Boden, schüttelt sich, aber wie…, steht und guckt und seine Nase, ein Riechorgan von besonderer Treffsicherheit, nimmt…
Seite 156 / 157aus „Mexiko ruft…“
„Ich möchte mich Ihnen vorstellen, Madame Wiehle, mein Name ist ebenfalls Wiehle. Ich habe den Koffer vor einer Woche auf Neuseeland erhalten und erlaube mir, ihn höchstpersönlich Ihnen auszuhändigen, bitte sehr.“
Dorte fragt nach: „Neuseeland? Höre ich richtig? Seit fast einem Jahr warte ich auf ihn und er hat sich die weite Reise über Neuseeland gegönnt? Das ist aber kein Witz mein Herr?“
„Nein, nein, absolut nicht, wo er sich über die lange Zeit aufgehalten haben könnte, ist mir unbekannt. Ich habe erst vor genau einer Woche von seiner Existenz erfahren.“
„Ich glaube“, mischt sich Manuel ein, „das wird eine längere Erörterung werden. Ich lade Sie, Herr Wiehle, auf ein paar Tage Mexiko ein. Seien Sie uns willkommen.“
Der Herr vom Airport verabschiedet sich und fährt davon.
Manuel greift nach dem Koffer, Afra, Dorte und Herr Wiehle gehen mit ihm zusammen die Treppe hoch ins Haus.
„Herr Wiehle, Sie haben sicher den Wunsch, sich zu erfrischen. Kommen Sie mit mir, ich zeige Ihnen das Bad und Ihr Zimmer.“
Die beiden verschwinden im Haus und Dorte legt den Koffer auf den Tisch. „Wo habe ich nur den Schlüssel aufbewahrt?“ Sie hat sich hingesetzt und schaut Afra an. Heute ist ja wirklich Einiges los, findest du auch? Wie wird es Mister Dorrjier gehen?“
„Ich hoffe doch“, erwidert Afra, „dass er im Krankenhaus gut aufgehoben ist. Zumindest wird er ein Einzelzimmer haben.“ Manuel ist soeben dazugekommen und hat den Schlüssel vom Koffer mitgebracht.
„Du hattest den Schlüssel, Manuel? Da freue ich mich, dass er da ist. Ich habe überlegen müssen, wo ich ihn aufbewahrt habe. Sie steckt den Schlüssel in den Koffer, er passt noch. Sie schließt auf, hebt den Deckel hoch und alle schauen, was er wohl preisgeben wird. Obenauf liegen ihre Schriftstücke. Sie legt sie auf die Tischfläche. Dann werden Sandalen sichtbar und vor allen Dingen Wäsche und Kleidung. „Ich habe vergessen, was ich alles eingepackt hatte. Nun habe ich Kleidung in Hülle und Fülle, Socken mehr als genug, meine Güte, was ich alles finde, ich bin ja verblüfft…“
„Ich trage dir den Koffer in die Wohnung“, sagt Manuel, schlägt den Deckel zu und geht mit ihm davon. Dorte hat eine große Tasche dabei, verstaut die Papiere und folgt Manuel. Beim Hinausgehen sagt sie zu Afra: „Du bleibst doch, ich komme gleich zurück und dann werden wir zu Abend essen. Bis gleich…“
Kaum ist sie gegangen, kehrt Herr Wiehle Juchten duftend zurück zu Afra. „Herr Wiehle, Sie werden doch ein paar Tage auf unserer Hazienda bleiben?“
„Gewiss, ich danke für die freundliche Einladung. Diese Chance werde ich nutzen, den mir fremden Erdteil kennen zu lernen.“
„Das freut mich Herr Wiehle.“
„Dass ich hier bin, verdanke ich einer kurzen Entscheidung. Nichtsahnend wurde mir der Koffer ins Haus gebracht! Nachdem ich den Aufkleber studierte, das Augenmerk auf Herkunftsland und Namen lenkte, wurde mir sonnenklar: Der Koffer kommt aus der Heimat meines Großvaters, der 1852 nach Neuseeland aufbrach und blieb!“
„Treffen Sie immer solche optimistischen Entscheidungen? Ich gratuliere Ihnen Herr Wiehle! Ich bin sprachlos und überrascht! Diesmal haben Sie besonders lebensbejahend, oder sagen wir zuversichtlich, entschieden.“